24.8.2018: Nach einem Besuch der Fin-Gärten wollten wir mit der ganzen Truppe die Unterirdische Stadt Nuschabad besuchen. Dort grub die lokale Bevölkerung vor 1500 Jahren eine unterirdische Stadt aus dem Boden, die in Kriegszeiten als Zufluchtsort vor Feinden diente, aber auch bei extremen Temperaturen Schutz bot. Das gigantische Labyrinth aus Gängen und Räumen bedeckt eine Fläche von 4 km2 und reicht in drei Etagen bis zu 20 m in die Tiefe. Die Stadt war lange Zeit verschüttet und unentdeckt, bis ein Mann bei Bauarbeiten für eine Sickergrube in die Hohlräume hinunterstiess. Der Besuch ist jedoch für alle mit einer Grösse von über 1.70 Metern und/oder mit Platzangst nicht wirklich empfehlenswert – was mich leider zwang, die unterirdische Tour durch die engen und niedrigen Gänge vorzeitig abzubrechen und aus der relativen Kühle zurück an die rund 44 Grad heisse Oberfläche zu kehren. N begleitete mich und wir streiften etwas durch die Lehmgassen des Ortes. Hier sprach uns eine alte Frau im Tschador an: Ob wir Ausländer seien, ob es uns hier gefalle und überhaupt hoffe sie, dass wir uns in Iran wohlfühlten. N plauderte eine Weile mit ihr und stand ihr Rede und Antwort (Habt ihr Kinder? Warum nicht? Wo lebt ihr? Wo ist die Schweiz? Gibt es dort Regen?). Als sie danach fragte, ob ich auch arbeite, schwante mir Böses und ich gestikulierte hinter dem Rücken der alten Frau verzweifelt-verneinend Richtung N herum. Leider ohne Erfolg: N macht sich wieder einmal einen Spass daraus, herauszuposaunen, ich sei Doktor. Was er nie erwähnt, ist, dass ich nur einen Doktor in Wirtschaft habe, nicht aber ein richtiger Doktor bin. Prompt wendet sich die alte Frau mir zu, lüftet Tschador und Rock und hält mir ihr geschwollenes, dunkelrotes Bein vor die Nase: „Diabete“ meint sie. Ich schaue mir das Bein an und gebe ernst zurück: „Baleh, baleh – Ensulin darid?“ - ja, tatsächlich, und ob sie Insulin hätte. Dies bestätigt sie und erklärt mir stolz, sie nähme jeden Tag drei „Ampoule“ (Spritzen) und sie auch eine „paris“, eine Diät mache. Mit meinem erneuten „baleh, baleh“ gibt sie sich zufrieden: immerhin hat die ausländische Ärztin die Diagnose und die Behandlung bestätigt. Und ich warte darauf, dass der Blitz der Medizin-Götter auf mich herunterfährt und mich für meinen Frevel bestraft. Zu meiner Entschuldigung sei jedoch gesagt, dass wir auch schon versucht haben, den Irrtum aufzuklären. Dies ist jedoch fast gar nicht möglich, da in den Augen vieler einfacher Leute ein Doktor nun eben ein Arzt ist, und damit Basta. Nach diesem erhellenden Besuch sowohl der dunklen Unterwelt als auch der dunklen Seiten von Ns Humor fahren wir alle zusammen in die Berge südlich von Kashan in das Dorf Abyaneh. Dieser am Fuss des 3900 m hohen Karkas-Gebirges gelegene Ort ist ein Juwel überlieferter, ländlicher Architektur und wurde von der UNESCO zum kulturellen Erbe der Menschheit erklärt. Seine aus rostbraunem Lehm errichteten Häuser drängen sich sehr pittoresk an einen steilen Berghang. Sie sind so eng ineinander verschachtelt, dass viele ihrer flachen Dächer den oberhalb wohnenden Nachbarn zugleich als Hof und Terrasse dienen. Hier ist es verglichen mit Kashan angenehm kühl und wir essen in einem wunderschönen Garten mit verschiedenen Wasserläufen unter rauschenden Bäumen, bevor wir uns an die Erkundung des Dorfes machen.
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22.8.2018 - Kashan Kashan liegt am Rande der Dast-e-Kavir im persischen Hochland. Die Stadt ist bereits seit vielen Tausend Jahren bewohnt - Ausgrabungen in Tepe Sialk fanden sich Häuser aus dem 6. Jahrtausend v. Chr., einige der ältesten Zeugnisse von Metallgewinnung aus dem 4. Jahrtausend, protoelamitische Schrifttafeln, Rollsiegel, Keramiken aus dem 3. Jahrtausend und eine von vier bekannten elamitischen Zikkurats. Im Mittelalter war Kashan vor allem für seine Keramik berühmt: Der persische Name für Keramik, „Kashi“, leitet sich von Kashan ab. Hier wurden bereits sehr früh die glänzenden Kacheln in Blau und rosa hergestellt, welche vor allem für Innenräume wie etwa Gebetsnischen in Moscheen verwendet wurden: Der Glanz der Kacheln muss im flackernden Schein der Öllampen eine ganz besondere Lebendigkeit gehabt haben. Die Keramikproduktion verlor im laufe des 14. Jahrhundersts an Bedeutung - sie wurde abgelöst durch Textilproduktion. Kashan liegt neben Kerman, Yazd, Isfahan und Qom an der südlichen Seidenstrasse und gehörte neben Yazd und Isphahan im 16. und 17. Jahrhundert zu den wichtigsten Zentren der Prodiktion persischer Brokat- und Seidenstoffe. In ihrer Blütezeit wurden Seidenstoffe mit Abbildungen aus der persischen Literatur im Stil der Miniaturmalerei hergestellt. Im 16. Jahrhundert etablierte der kunstsinnige Safawidenkönig Abbas I. der Grosse (1587–1529) - er gilt als einer der bedeutendsten Förderer der Persischen Kunst, insbesondere der Teppichknüpfkunst - die ersten Teppichknüpfmanufakturen, die bald zu höchster Blüte gelangten. Wie bei vielen anderen Perserprovenienzen auch, ist der Ort Kaschan Stapelplatz und daher Namenspate für alle im Umland geknüpften Teppiche. Die Sammelbezeichnung erstreckt sich auf etwa achtzig Dörfer und Flecken. Kaschan-Teppiche gehören zu den besten klassischen Orientteppichen. Die Knüpfung erfolgt mit dem persischen Knoten, nicht mit dem bei Perserteppichen weit verbreiteten türkischen Knoten. Die Knüpftechnik geht vermutlich auf die Seldschuken und deren Invasion im 11. Jahrhundert zurück. Kashan ist auch berühmt für sein Rosenwasser. Hier ganz in der Nähe - in Qamsar - liegt das Zentrum der orientalischen Rosenwasserproduktion. Die Kaaba in Mekka wird jährlich einmal mit Rosenwasser aus Qamsar gewaschen. Die Rosen für das Wasser stammen aus den Rosengärten rund um Kashan und die Rosenblüten werden im Mai und Juni geerntet. Anschliessend werden sie in grossen Kupferkesseln gekocht und der Dampf über ein Rohrsystem in wassergekühlte Kupferkannen geleitet, aus denen das halbfeste Rosenöl abgeschöpft wird. Kashan ist über den Handel und seine Lage an der Seidenstrasse zu erheblichem Reichtum gelangt. Davon zeugen diverse traditionelle Häuser, die einst wohlhabenden Kaufleuten gebaut wurden und von denen einige besucht werden können oder welche zu Hotels umgebaut worden sind wie etwa das Abbasi-Haus, das Boroujerdi-Haus oder das Haus der Tabatabai oder der Fin Garten (Bagh-e-Fin). Interessanterweise findet sich in keinem meiner historischen Reiseberichten eine ausführliche Beschreibung von Kashan – weder unter dem aktuellen Namen noch unter der Schreibweise Keshan oder Cassan. Offenbar liessen die Reisenden des 18. und 19. Jahrhunderts die Stadt links liegen und reisten so schnell wie möglich weiter nach Sin-Sin und Qom. Die einzigen Einträge, die sich finden, sind der Hinweis auf äusserst viele Skorpione und die Feigheit der Kashani. Diese ist heute noch sprichwörtlich: Man sagt, der mutigste Bewohner der Stadt sei der Strassenköter hinter dem Bazar. Man erzählt sich, dass ein Regiment von Kashani nach seiner Entlassung aus dem Kriegsdienst Begleitschutz (!) für die Heimreise nach Kashan verlangt habe. Hier einige Bilder (anklicken zum Navigieren): 22.8.2018: Abreise nach Kashan
Eines meiner Ziele während dieser Reise war es, Kashan zu besuchen. Hier hatten wir 2010 leider nur einen kurzen Halt eingelegt und die Fin Gärten besucht. Anschliessend sind wir direkt nach Isfahan weitergereist - insbesondere N ist nicht wirklich warm geworden mit Kashan, einer Wüstenstadt, die ihre schönen Seite sehr erfolgreich hinter hohen, staubigen Lehmmauern versteckt. Es ist beschlossene Sache, dass uns die Hälfte der Familie begleiten wird. Natürlich habe ich nichts dagegen - es wird vermutlich sehr chaotisch und anstrengend, aber sicher auch lustig. Die Planung sieht vor, dass wir in zwei Autos nach Kashan fahren - wir haben Glück, und in dieser Woche ist der Mittwoch ein Feiertag, und da der Freitag Freitag ist, kann der Donnerstag als Brücke benutzt werden. Es ist geplant, dass wir am Mittwoch nicht in Kashan sind, sondern direkt weiterfahren in die Wüste, um mindestens eine Nacht dort zu verbringen. Am Freitagabend wird der grösste Teil der Familie wieder zurück nach Karaj fahren und wir noch ein oder zwei Tage in Kaschan verbringen. Dass das vorher ausgehandelte Programm kurzfristig umgestossen wurde, erfahre ich, als wir kreuz und quer durch Kashan fahren und uns „Appartmans“ ansehen - Zimmer, die meist von Privatleuten angeboten werden und über Bad, Wohnzimmer und Küchenzeile verfügen. Als die Worte „Emschab“ und „do rus“ fallen, werde ich misstrauisch: Natürlich wurde das Programm kurzfristig geändert: „Kavire garm hasd“ und „to chaste schodi“ - die Wüste ist heiss und Du bist müde. N hat vergessen, mich über die Planänderung zu informieren, die über diverse Telefonische Kontakte auf der Herreise zwischen den beiden Autoparteien ausgehandelt worden war. Warum bin ich nicht wirklich überrascht? Mir spielt es ja eigentlich nicht wirklich eine Rolle. Aber: es ist auch N klar, dass ich mich nicht von Kashan wegbewegen werde, bevor ich nicht in der Wüste war - grins! Natürlich werden diverse schöne grosse Appartmans als mögliche Unterkunft verworfen – einerseits findet sich vielleicht noch etwas besseres, zentraleres, andererseits könnte bei entsprechender Zurückhaltung noch etwas beim Preis herausgeholt werden. Und natürlich sind wir nicht die einzigen Interessenten an diesem Feiertag und am Ende bleibt nur eine etwas spärliche Unterkunft in der Nähe der Fin-Gärten übrig. Man wird sich schliesslich – nach vielem hin- und her und einem ziemlich unfreundlichen Fauchen von N, der offensichtlich hungrig ist - handelseinig und die Familie fängt an, Essen, Decken, Picknickkörbe, Taschen und Getränke auszuladen und auf die beiden erfolgreich gemieteten Zimmer zu verteilen. Wir richten uns also mit acht Erwachsenen und zwei Kindern auf gut 20 Quadratmetern ein, stellen den scheppernden „Cooler“ ein und trinken zuerst einmal ein Glas Tee. Ach ja: es gibt zwei Doppelbetten und eine schier unbegrenzte Anzahl Schlafmatten, die säuberlich zusammengefaltet darauf warten, auf die Nacht hin aufgerollt zu werden und uns allen einen Schlafplatz zu garantieren... Anschliessend fahren wir in die Stadt und spazieren durch den mittlerweile schon fast menschenleeren Basar. Abendessen gegen 22 Uhr in einem öffentlichen Park auf einer Anhöhe vor Kashan mit schönem Blick auf die beleuchtete Stadt bei angenehmen 36 Grad auf traditionell-persische Art als Picknick. |
Autor"For my part, I travel not to go anywhere, but to go. I travel for travel's sake. The great affair is to move; to feel the needs and hitches of our life more nearly; to come down off this featherbed of civilization…" ArchivKategorien |